In 90 Jahren um die Welt

Die Geschichte eines einzigartigen Rolls-Royce Phantom II, der sein Leben als Chauffeurlimousine in Bern (Schweiz) begann, zum Hotelbus umgebaut wurde, über Deutschland und die USA schliesslich als Lieferwagen auf einer Hühnerfarm in Australien landete, bevor er 2023 zurück in die Schweiz kam.

Originalfoto das bei der Auslieferung dem Kunden abgegeben wurde.

Originalfoto das bei der Auslieferung dem Kunden abgegeben wurde (1931)

Die Idee zu diesem aussergewöhnlichen Renovationsprojekt entstand beim 20-jährigen Jubiläum des BCCM (Britisch Classic Car Meeting) in St. Moritz 2012. Wir nahmen mit vier befreundete Pärchen nahmen mit vier Autos an diesem Anlass teil. Allerdings fielen noch vor dem Start zwei der Wagen aus, so dass die Rallye mit den zwei verbliebenen Autos und jeweils vier Passagieren absolviert werden musste. Beim abendlichen Galadinner wurde jedoch schnell festgestellt, dass dies die lustigste jemals gefahrene Rallye war. So entstand die Idee ein achtsitziges englisches Automobil zu suchen. Am nächsten Tag machte ich mich auf die Suche nach einem englischen Oldtimer für acht Personen. Kurze Zeit später fand ich in einem alten Zeitungsartikel den Rolls-Royce-Bus in den USA.

Das Fahrzeug in der Zeit in den USA.

Das Fahrzeug in der Zeit in den USA (1980-2008)

Die weitere Suche dort dauerte dann weitere 6 Jahre, bis wir den Wagen in der Nähe von Melbourne auf einer Hühnerfarm fanden. Weitere sechs Jahre dauerten die Verhandlungen mit dem Besitzer, um den Wagen zu kaufen und in die Schweiz zurückzubringen.

Die Zeit auf der Hühnerfarm nördlich von Melbourne.

Die Zeit auf der Hühnerfarm nördlich von Melbourne (2011-2022)

Der Erstbesitzer
Der Rolls Royce ist 1931 als Sedan de Ville in Bern erstmals eingelöst worden. Barker verkaufte den Wagen 1933 an Hermann Wilhelm Rüegg, Inhaber der Rüegg W. & Cie. Die Firma Rüegg war bereits seit 1884 in der 3. Generation im Papierwarengeschäft. Ein beliebtes Ziel der Familie Rüegg war das Hotel Schweizerhof in Interlaken. Dort stiegen sie jedes Jahr mindestens einmal als Gäste ab. 1950 verkaufte der Grossvater das Auto an Theodor Wirth, Besitzer des Hotels Schweizerhof in Interlaken.

Der Zweitbesitzer Hotel Schweizerhof
Theodor Wirth übernahm 1947 in der vierten Generation mit seiner Frau Frieda Wirth-Uetz das Hotel Schweizerhof. Zu diesem Zeitpunkt wurden die Gäste mit einem Fiat-Bus vom Bahnhof zum Hotel chauffiert. Dieser hatte seine Lebensdauer langsam erreicht und war für ein so schickes Hotel nicht mehr angemessen. Somit kam das Angebot der langjährigen Gäste Rüegg aus Bern, ihren Rolls-Royce Phantom II, Sedance de Ville zu verkaufen, gerade richtig.

Natürlich musste der Wagen noch für die Bedürfnisse des Hotels umgebaut werden. Man entschloss sich bei der in der Nähe ansässigen Firma Gebrüder Beutler & Co. vorstellig zu werden. Im Auftrag von Theodor Wirth wurde ein „nostalgischer“ Aufbau im Stil 1900-1910 angefertigt, der dem Bus das heutige Aussehen gab.

In den 1950er und 1960er Jahren erlebte Beutler Carosserie seinen Höhepunkt und arbeitete eng mit renommierten Automobilherstellern wie Porsche, Mercedes-Benz und Alfa Romeo zusammen. Das Unternehmen entwarf und baute massgeschneiderte Karosserien für diese Fahrzeuge, wodurch sie zu ebenso einzigartigen wie begehrten Sammlerstücken wurden.

Als Hotelbus im Hotel Schweizerhof, Interlaken.

Als Hotelbus im Hotel Schweizerhof, Interlaken (1953-1975)

Vier weitere Besitzer in Deutschland, Amerika und Australien
1975 wurde der Rolls-Royce nach dem verheerenden Hotelbrand wegen fehlender Einsatzmöglichkeiten und eines Motorenschadens nach Deutschland verkauft. Nach nur wenigen Jahren wechselte das Auto mehrfach den Besitzer und landete bei einem Bekannten Sammler und Spezialisten in der Nähe von Los Angeles. Gary Kean (letzter Besitzer in Australien) erinnert sich: «Jim Toole war als Experte für alte Rolls- Royces bekannt. Er hatte eine große Sammlung von Vorkriegsfahrzeugen, von denen einige im Peterson Museum in Los Angeles ausgestellt sind. Er war auch Richter bei vielen Concours-Veranstaltungen. Da er gesundheitliche Probleme mit einem Bein hatte, benutzte er den Bus gerne, um an Veranstaltungen zu fahren. So konnte er sich tagsüber im Bus ausruhen. Oft hat der Bus grösseres Interesse als alle Concoursfahrzeuge bekommen.»

Restaurierung
Nun endlich ist auch die aufwendige Restaurierung fast abgeschlossen. Das Fahrzeug wurde, der Idee entsprechend, in den letzten zwei Jahren komplett renoviert und möglichst originalgetreu wieder aufgebaut. Fehlende Teile wurden ergänzt und das Interieur im Fahrgastteil für längere Reisen optimiert. Da der Bus nur genutzt wurde, um Gäste die kurze Strecke vom Bahnhof Interlaken bis zum Hotel Schweizerhof zu bringen, waren die seitlichen Sitzbänke für insgesamt 12 Personen zwar für den damaligen Gebrauch optimal, aber für die zukünftige Nutzung nicht geeignet. Die Sitzreihen wurden für den seitlichen Halt bei Fahrten auf sechs Einzelsitze reduziert.

Dem Einsatz als „Rallyefahrzeug“ für „Plausch“-Rallyes oder Ausfahrten und Reisen mit Freunden steht nichts mehr im Wege. Ausserdem ist die Nutzung für Gästefahrten geplant. Die Geschichte dieses einzigartigen Fahrzeuges geht somit nicht zu Ende, sondern wird noch viele Jahrzehnte andauern. Bereits in wenigen Jahren steht das 100-jährige Jubiläum des Rolls-Royces an. Wer weiss, wohin die Reise geht…

Die Renovation ist fast beendet.

Die Renovation ist fast beendet.

Die Renovation ist fast beendet.
Der Innenausbau im Stil der 30er Jahre mit Picknicktischen und «Rosenholz».

Der Innenausbau im Stil der 30er Jahre mit Picknicktischen und «Rosenholz».

Der Innenausbau im Stil der 30er Jahre mit Picknikctischen und «Rosenholz».

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